Nina: Heute haben wir Grund zum Feiern: Die SJH werden 100 Jahre alt! Wie lautet das Erfolgsrezept der Organisation?
Janine: Die Schweizer Jugendherbergen haben es immer wieder vorbildlich geschafft, sich den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen anzupassen. Sei es, indem sich die Unterkünfte von einfachen Strohlagern zu modern und professionell geführten Hostels gewandelt haben. Oder dass wir uns bereits seit mehreren Jahrzehnten aktiv für nachhaltigen und umweltverträglichen Tourismus einsetzen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Wieso wurden die Schweizer Jugendherbergen überhaupt gegründet?
Freizeit war Anfang des 20. Jahrhundert ein rares Gut. Zudem schlugen die Industrialisierung und eintönige Maschinenarbeit den jungen Menschen zunehmend aufs Gemüt und die Gesundheit. Dazu suchten die jungen Menschen einen Ausgleich: diesen fanden sie in der schönen Natur beim Wandern. Erst nur auf eintägigen Touren, da man damals nur einen Tag frei hatte. Als das Wochenende mit zwei freien Tagen, wie wir es heute kennen, eingeführt wurde, waren plötzlich auch zweitägige Wanderungen möglich. Damit war auch das Bedürfnis für günstige Übernachtungsmöglichkeiten da. Also gründeten Vertreter*innen verschiedener Jugendorganisationen am 28. April 1924 die «Zürcherische Genossenschaft für Jugendherbergen» in Zürich.
Welches waren die prägendsten Ereignisse im letzten Jahrhundert?
Der erste Meilenstein ist sicher die Gründung am 28. April 1924. Als dann das Bedürfnis da war, über die Landesgrenzen hinweg zu wandern, war die Schweiz 1932 Gründungsmitglied des weltweiten Dachverbandes Hostelling International, um ein sicheres und günstiges Übernachtungsangebot auf dem ganzen Globus sicherzustellen. Im Jahr 1956 wurde schliesslich die Altersgrenze von 25 Jahren aufgehoben, sodass die Schweizer Jugendherbergen fortan auch immer mehr Familien zu ihren Gästen zählen konnten. Der Verein für Jugendherbergen Zürich errichtete am 11. Mai 1973 die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus und ordnete damit die Liegenschafts- und Vermögensverwaltung neu, sodass sich der Verein Zürich ganz auf den Betrieb der Hostels fokussieren konnte. 1991 fusionierte der Grossteil der regionalen Kreisverbände zum heutigen Verein Schweizer Jugendherbergen. Heute setzt sich der Verein mehr denn je für sozialen und nachhaltigen Tourismus in der Schweiz und als Mitglied von Hostelling International auch weltweit ein.
Wie hat sich das Angebot gewandelt?
Die ursprüngliche Definition von Jugendherbergen lautet: Eine Übernachtungsmöglichkeit mit Betten oder Schlafplätzen im Stroh, die ein Dach über dem Kopf und eine Kocheinrichtung bietet. Heute schlafen unsere Gäste nordisch und vorwiegend in kleineren Zimmereinheiten bis max. 6 Betten und wir verpflegen sie am Abend mit einem ausgewogenen 3-Gang-Menü. Wir haben uns zu einer modernen und professionellen Nonprofit-Organisation entwickelt.
Welche Werte vertritt der Verein?
Wir sind besonders stolz, dass wir unseren Werten stets treu geblieben sind. Damals wie heute setzen wir uns mit unserem preislich attraktiven Angebot aktiv dafür ein, dass sich auch Menschen mit weniger Budget Ferien und Erlebnisse ausserhalb des gewohnten Umfeldes in unserem Land leisten können. Das ist unser oberstes Ziel. Gleichzeitig gestalten wir unser Angebot so nachhaltig wie möglich– sowohl beim Bau als auch im Betrieb der Jugendherbergen.
Wohin geht die Reise in den nächsten Jahren?
Wir arbeiten derzeit an vielen spannenden Projekten! Die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten werden auch weiterhin eine zentrale und wichtige Rolle spielen. Zudem erweitern wir unser Netzwerk mit tollen Standorten in Martigny, Genf und Biel. In Luzern ist ein Umzug von der Jugendherberge am Rotsee ins Verkehrshaus geplant und in Pontresina erwartet uns ebenfalls ein Umbauprojekt mit einer Boulderhalle – langweilig wird es nicht.
Du bist seit fast 30 Jahren für die Schweizer Jungendherbergen tätig. Was bedeutet dir die Organisation?
Es sind die Werte, die Menschen, die Partnerschaften, welche die Organisation ausmachen. Wir setzen uns täglich dafür ein, dass Ferien und Reisen für alle Menschen möglich sind. Und wir tun dies in einer Art und Weise, welche Freundschaften entstehen lassen, über Landesgrenzen hinweg, ungeachtet der Herkunft oder Kultur. Dies motiviert mich jeden Tag von Neuem und ich arbeite auch nach fast 30 Jahren noch immer sehr gerne für die Schweizer Jugendherbergen.
Was ist dein persönlicher Geburtstagswunsch für die Schweizer Jugendherbergen?
Den Schweizer Jugendherbergen ist es in den letzten 100 Jahren immer sehr vorbildlich gelungen, sich zusammen mit der Gesellschaft zu wandeln und immer mit der Zeit zu gehen. Ich wünsche den Schweizer Jugendherbergen, dass dies auch weiterhin so gut gelingt und sie sich auch die nächsten 100 Jahre für sozialverantwortlichen und nachhaltigen Tourismus einsetzen können.
Über Janine Bunte
Janine Bunte ist seit 1996 bei den Schweizer Jugendherbergen tätig, seit 2019 in der Funktion der CEO. Ihren Einstieg machte sie als Sachbearbeiterin in der Buchhaltung bevor sie die Regionalleitung übernahm. Von 2010 bis 2019 war sie im Amt der CFO und Mitglied der Geschäftsleitung für die Abteilungen Finanzen, IT und Personal verantwortlich. Als CEO der Schweizer Jugendherbergen setzt Janine Bunte den Fokus insbesondere auf die digitale Weiterentwicklung der Nonprofit-Organisation und darauf, die sozialtouristische Verantwortung des Vereins wahrzunehmen und in der Unternehmenskultur zu verankern. Janine Bunte ist Präsidentin von Parahotellerie Schweiz, Mitinitiantin und Präsidentin des Vereins discover.swiss, Präsidentin von Equality4Tourism, Vizepräsidentin der Genossenschaft discover.swiss und Mitglied des Vorstandes von Go-Snow, Schnee sportinitiative Schweiz. Zudem nimmt sie durch ihre aktive Mitarbeit in internationalen Kommissionen eine prägende Rolle in der Entwicklung von Hostelling International, dem internationalen Verband von Jugendherbergen weltweit, ein.
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